TEXT-Beispiel

Dirnenlied (Verf. Adele Schreiber)

Der Erste, der küsste mein wildes Haar,
das war wie schwarze Schlangen,
er wand sich's jubelnd um den Hals:
"Du, Hexe, hast mich gefangen!"
Doch als ich die zitternde Seele enthüllt,
da lacht' er: "Dein Haar ist so reich, so wild,
was soll mir die arme Seele ?!"
Der Zweite küsste den roten Mund,
das war wie weisse Flammen;
der Abend sank -, der Morgen kam,
wir blieben küssend beisammen.
Doch als ich die blasse Seele ihm bot,
da rief er: "Dein Mund ist so rot, so rot!
Was soll mir die blasse Seele?!"
Der Dritte küsste den Busen mir heiss,
der war wie Maienblüten so weiss;
er küsste mich, dass es schmerzte,
ach, wie er mich drückte und herzte!
Doch als ich die zuckende Seele ihm wies,
da stöhnt' er: "Dein Leib ist so süss, so süss,
lass', lass mich weiter küssen!
Da hab ich geweint und dann - gelacht,
dann hab' ich den Vierten toll gemacht;
nun küss' ich jeden auf sein Geheiss,
mein Haar ist schwarz - mein Leib ist weiss,
mein Mund ist jung, so rot, so rot - !
und meine arme Seele - tot!!